Bijlmermer (bei Amsterdam), ein Social Housing Projekt aus den 60ern für ca 100000 Menschen, ist ein Zeugnis der modernen Architektur aus der Feder des CIAM (congress international de l’architecture moderene) dessen Mitglieder Männer wie Corbusier, Alto, Gropius waren. In der Charta von Athen (entstanden auf dem Weg von Italien nach Griechenland auf der MS Patrias II ), entwickeln sie die Theorie einer modernen Stadt, die die Trennung der Funktionen der verschiedenen Lebensbereiche vorsah. Mobilität, Arbeit, Freizeit und Wohnen. Was haben die Architekten der Moderne über den Körper gedacht? Schon seit der Entdeckung des Blutkreislaufs im Mensch (Harvey ca 1670) entwickelt sich der Gedanke einer Menschmaschine und so überträgt sich dieser Gedanke schon bald auf den Stadtkörper. Man spricht von Aterien und Venen. Denken wir an das Bauhaus- Oskar Schlemmer, die Form (das Kostüm) bestimmt die Art der Bewegung. Wurde der Mensch zu dieser Zeit vermessen? Quantisiert? Die Entfaltung des Individuums eine Möglichkeit, weil er eine Zahl ist, berechenbar, abzählbar?

"All buildings have arisen, have stood, and stand as physical symbols of the psychic state of the people ... throughout the past and the present, each building stands as a social act, in everything that men do they leave an indelible imprint of their minds. If this suggestion be followed out, it will become surprisingly clear how each and every building reveals itself naked to the eye; how its every aspect, to the smallest detail, to the lightest move of the hand, reveals the workings of the mind of the man who made it, and who is responsible to us for it.

Louis Sullivan (1906 'What is Architecture'.) der Godfather des Hochhauses benennt diesen sozialen Aspekt als die Verantwortung von Architektur- was haben die Architekten in Bijlmer gedacht (auf der MS Patrias II) War Ihnen das Ausmass bewußt? Wieviel Utopie steckte in den Entwürfen? Ab welchem Moment haben sie mit den Knien gezittert? 100000 Menschen. Nassuth, der Mastermind von Bijlmer verließ desillusioniert 1979 das Projekt. Da galt dieses Megaprojekt als gescheitert. 31 in Honigwaben angeordnete 500m lange 10 stöckige Betonhüllen sind gebaut worden. 60% davon sind bereits abgerissen.
Cut.
Vor Ort: Bijlmer. 20min mit der U-Bahn vom Bhf Centraal entfernt. Wir tauchen ein in eine Utopie. Gaasperplan so hieß einst die Wiese, jetzt die Station, so auch Bijlmermer, ein See mit Feldern und Schafen. Wasser ist omnipresent. Es ist menschenleer. Man fühlt sich ein bisschen wie ein Elektron, das von einer Steckdose in die nächste geleitet wird. Der Versuch dem zu Widersprechen endete in einem endlosen Marsch. Wo sind wir eigentlich? Waren wir hier nicht schonmal? Orientierungslosigkeit. Wir treffen den Leiter des Bijlmer Museums, ein Bijlmer Believer der ersten Stunde- Leben gab es hier, freien Wohnraum, Strassenhändler, es waren alle gleich. Kriminalität ja, aber man wußte wo man hin gehen konnte und wo nicht. Elixer, ein Restaurant mit lokalem Gemüse wird ebenfalls geleitet von einer Bijlmer Believerin. Circular Economy wird hier gelebt. Sie ist hier groß geworden- eine glückliche Kindheit. Draussen in der Natur waren sie gewesen. Welche Natur? Die flachen kargen Wiesen?  Der Untergrund ist meist Beton, Asphalt, selbst der Rasen ist hart. Der Blick haftet an den Fassaden und schlängelt, schneidet sich immer wieder entlang an den durchgehenden Balkonen. Wie Felsen winden sich die Kolosse in die Landschaft. Bijlmer ist eine Schleuse, eine Verteilerdose. Hier kommt man an, wenn man von weit weg kommt. (On arrive ici, si on vient de loin). Die Fluktuation ist groß. Frequenz, Puls. Die Architektur verrät das nicht. Sie gibt den Anschein des Beständigen, des Erhabenen. Was hat sich aber verändert und was ist geblieben? Welche Handgriffe sind im Beton sichtbar? Welche Beulen, welche Schleifspuren. Wie kann man, bevor man dieses Gebäude betritt (im Grunde ist es nur eins) nicht daran denken, dass das Leben eine Maschine ist.
Mit großer Hartnäckigkeit in Form von stobenden, schnaufenden Maschinen werden jegliche Sedimente als Ausdruck menschlichen Daseins weggebürstet, weggesttrahlt, verhindert. Potential gibt es hier nur bei den BijlmerBelievers. Das sind diejenigen, die die (sozialistische) Idee eines der Gesellschaft dienenden Individuums als Chance begreifen etwas auf die Beine zu stellen, das sich gegen Luxus und unendlichen Spasskonsum ausspricht. Die den Raum begreifen als etwas, in dem man sich befreit von der Selbstverwirklichung. Als einen Ort des Austauschs, getrieben von Leidenschaften die man teilen möchte. Diese Architektur läßt diese Räume zu, sie schlummern als Idee von Anfang an auf dem Papier, man muss die Tür zu diesen träumenden Räumen nur öffnen.